Jahresübersicht 2022

Wenn Sie regelmäßig zu unseren Veranstaltungen eingeladen werden möchten, nehmen wir Sie gern in den Veranstaltungsverteiler des Museums Blindenwerkstatt Otto Weidt auf. Bitte verwenden Sie dafür unser Online-Anmeldeformular.

08.05.2022 um 12.00

Blind. Untergetaucht. Braille-Lesung mit Musik

Blinde und Sehbehinderte machen ein 80 Jahre altes Vermächtnis erlebbar

Geliebte Kinder“, beginnt der lange letzte Brief, den das jüdische Ehepaar Frey - er blind, sie sehend – von April bis Mai 1942 an die beiden emigrierten Töchter schreibt. Erich und Elsbeth, beide Mitte 50, berichten darin über ihren Alltag unter Entrechtung und Verfolgung durch den NS-Staat, über die drohende Deportation.

Die Eheleute Frey tauchten unter mit Unterstützung von Otto Weidt, der selbst sehbehindert war. Ihr erstes Versteck fanden sie im Keller seiner Blindenwerkstatt, in unmittelbarer Nähe des heutigen Vortragsraums. - Weidt unterstützte seine vom Tode bedrohten jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Lebensmitteln und Papieren. Die Freys wurden 1944 in ihrem letzten Versteck am Bundesratufer 4 verraten, von der Gestapo deportiert und in Auschwitz ermordet.

Vier Kopien des Briefs hatten die Freys bei Freunden versteckt. Eine Kopie überstand den Krieg und erreichte die Töchter. Das bewegende Dokument wird in Braille-Schrift von den blinden und sehbehinderten Mitgliedern der „Arbeitsgruppe Weidt / Frey“ vorgetragen, und von Musik gerahmt.

Auch Inge Deutschkron arbeitete in der Blindenwerkstatt und wurde von Weidt geschützt. Ihrer Zeitzeugenschaft verdanken wir das Wissen um das mutige Lebenswerk Weidts, sowie den Erhalt und Ausbau des heutigen Erinnerungsortes. Die Aufführung ist ihr, die im März im Alter von 99 Jahren verstorben ist, in Dankbarkeit gewidmet.

In der Arbeitsgruppe „Weidt / Frey“ der Deutschen Hörfilm gGmbH haben sich zeitgeschichtlich interessierte blinde und sehbehinderte Menschen aus ganz Deutschland zusammengefunden, anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust 2021. Die Treffen finden als Telefonkonferenz statt. Ziel ist es, an die Schicksale blinder und sehbehinderter jüdischer Menschen in der NS-Zeit zu erinnern. Im Oktober 2021 hatte die AG Weidt / Frey zu einer ersten Braille-Lesung eingeladen, die open air vor dem letzten Versteck der Freys in Moabit stattfand.