„Ich darf Dir das doch sagen“ - Bundespräsident Johannes Rau würdigt „stille Helden“ der Nazi-Zeit

(erschienen in FRÄNKISCHER TAG vom 8. März 2002)

Mit „Schindlers Liste“ hat Hollywood-Regisseur Steven Spielberg sie weltweit bekannt gemacht, die anderen Deutschen. Doch es gab nicht nur den aus Zwittau stammenden sudetendeutschen Unternehmer, der in seiner Fabrik in Krakau mehr als tausend Juden das Leben gerettet hat. Die „stillen Helden“, die sich gegen das Morden der Nazis wandten und ihr Leben für das Leben anderer riskierten, gab es an vielen Orten in Deutschland. Einen dieser fast Vergessenen würdigte Bundespräsident Johannes Rau.

Im Scheunenviertel, dem einstigen Zentrum des jüdischen Lebens in Berlin, betrieb Otto Weidt (1883 – 1947) eine Blindenwerkstatt, die Bürsten herstellte. Für den als kriegswichtig eingestuften Betrieb forderte er jüdische Arbeiter an. Zur Gestapo, die alles überwachte, sagte er: „Seht her, hier haben die Juden arbeiten gelernt“, wie Inge Deutschkron berichtet. Sie arbeitete damals als Sekretärin und hat wie viele andere Weidt ihr Leben zu verdanken. „Das Wichtigste war, er kam den Leuten mit Respekt entgegen“, erinnerte sie sich bei dem Besuch Raus. In dem arg in Mitleidenschaft gezogenen Hinterhaus in der Rosenthaler Straße direkt neben dem Hackeschen Markt ist heute eine ständige Ausstellung zu sehen, die Teil des neuen Jüdischen Museums ist.

„Es waren mehr, als wir wissen, aber weniger, als es hätten sein müssen“, sagt Rau, der sich dazu bekennt, nach solchen Menschen zu suchen. Wie viele dieser „stillen Helden“ es gegeben hat, ist unbekannt. „Die Geschichte der Geretteten und ihrer Retter besteht vor allem aus einzelnen Schicksalen“, bemerkt der Historiker Wolfgang Benz, der an der Technischen Universität Berlin ein einschlägiges Forschungsprojekt leitet.

Viele der Helfer gehörten keinem organisierten Widerstand an. Oft waren es ganz spontane Entscheidungen, den bedrohten jüdischen Mitmenschen zu helfen. „ Mir haben 20 deutsche Familien geholfen“, sagt die fast 80-jährige Deutschkron, die aktiv an der Ausstellung mitarbeitet. Wie so viele jüdische Mitbürger, konnten auch ihre Eltern nicht glauben, dass die Nazis an der Macht bleiben und die Juden umbringen würden.

Wenn Deutschkron heute zurückblickt, stimmt es sie traurig, dass viele der „stillen Helden“ gestorben sind, ohne jemals ein gutes Wort für ihren Mut erfahren zu haben. Der deutsche Staat, der sich doch glücklich schätzen könne, habe nichts für sie getan. „Ich darf Dir das doch sagen“, spricht sie ihren seit langem bekannten Besucher Rau an.