Sophie Pawelke: "Späte Ehrung für den "blinden Helden" aus Rostock. Otto Weidt rettete als Chef einer Bürstenfabrik vielen Juden das Leben. Im Januar wurde ihm ein ARD-Film gewidmet. Nun ehrt ihn auch seine Heimatstadt"

(erschienen in OSTSEE-ZEITUNG vom 27. Juni 2014)
Lange ist niemandem bewusst gewesen, dass Otto Weidt, der einst zahlreiche Juden vor den Nationalsozialisten gerettet hat, ein gebürtiger Rostocker ist. Nun hat die Stadt eine Gedenktafel an der Stelle seines Geburtshauses in der Wollenweberstraße 8 eingeweiht. Weidt, der oft auch mit Oskar Schindler verglichen wird, hat im Zweiten Weltkrieg mehreren  Juden das Leben gerettet. „Eine unglaubliche starke und mutige Tat“ , so Oberbürgermeister Roland Methling (UFR) gestern bei der Einweihung.

Der ARD-Film „Ein blinder Held - die Liebe des Otto Weidt“ , der Anfang Januar dieses Jahres gezeigt wurde, hat die Diskussion um eine würdige Ehrung des gebürtigen Rostockers ins Rollen gebracht. So wirklich wusste niemand von der Herkunft des „blinden Helden“, das zeigten die Reaktionen der Rostocker kurz nach der Ausstrahlung. „Auch ich habe erst aus dem Film erfahren, dass Weidt hier geboren wurde“, sagt Holger Kießling, Leiter des Max-Samuel-Hauses. Dass die Stadt nur wenige Monate später eine Gedenktafel in der Wollenweberstraße 8 angebracht hat, sei wichtig. „Mir gefällt diese Art der Erinnerungskultur.“  Laut Kießling eine tolle Ergänzung zu den Stolpersteinen, die an jüdische Rostocker erinnern.

Die ersten fünf Jahre seines Lebens hat Weidt in der Hansestadt verbracht. Im Mai 1883 wurde er in der Wollenweberstraße 12 - heute die Nummer 8 - geboren. Das Haus steht nicht mehr, es wurde in den Bombennächten 1942 zerstört. Drei Monate nach seiner Geburt findet in der Nikolaikirche die Taufe statt. Warum die Familie 1888 nach Berlin ging, ist unbekannt. In der heutigen Hauptstadt erlernte Weidt zunächst wie sein Vater den Beruf des Tapezierers. Selbst an Blind-und Taubheit erkrankt, eröffnet er 1936 in der Rosenthaler Straße 39 in Berlin-Mitte, nahe der Hackeschen Höfe, eine Blindenwerkstatt, in der Besen und Bürsten für die Wehrmacht hergestellt wurden. Fast alle seine Angestellten waren blind, taub oder gehörlos. Und sie waren Juden. Mit gefälschten Ausweisen und der Bestechung von Gestapo-Beamten gelang es Weidt, seine Mitarbeiter vor den Deportationen zu retten. Als die Bedrohung zu groß wurde, begann Weidt, einige seiner jüdischen Angestellten zu verstecken.

Kurz nach dem Krieg, 1947, verstarb Otto Weidt. Posthum wird ihm 1971 durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“ verliehen. Die Räume seiner Werkstatt zeugen heute als Museum von den Taten des gebürtigen Rostockers. Dass an Weidt nun auch in seiner Geburtsstadt erinnert wird, freut vor allem die Mitarbeiter des Museums. „Je mehr an seine Leistung und seinen Wiederstand gedacht wird, um so besser“, sagt Katja Döhnel. Sie hätte sich gewünscht, dass Rostock Kontakt mit dem Museum aufnimmt. Dort arbeitet Inge Deutschkron, eine der ehemaligen Angestellten von Weidt. „Sie wird 92 Jahre alt. Villeicht hätte sie trotzdem gern den Weg nach Rostock auf sich genommen.“

Ausstellung erinnert

1936 eröffnet Weidt in der Rosenthaler Straße 39 in Berlin-Mitte eine Blindenwerkstatt. Der selbst an Blind- und Taubheit Erkrankte beschäftigt vor allem Juden. Um sie vor den Deportationen zu retten, besticht er die Gestapo-Beamte, unter anderen mit begehrten Rosshaarbesen, wie seine ehemalige Angestellte Inge Deutschkron später berichtet. Sie ist Vorsitzende des Vereins Blindes Vertrauen, der die Ausstellung „Blindes Vertrauen“ in der ehemaligen Blindenwerkstatt Otto Weidt fördert.