Ralf Liptau: "Stille Heldin geehrt, Gedenktafel in der Feurigstraße erinnert an Hedwig Porschütz"

(erschienen in der BERLINER WOCHE vom 19. November 2012)

Ohne Hedwig Porschütz hätte es in der NS-Zeit noch weniger Menschlichkeit gegeben. Sie hielt Juden versteckt und versorgte weitere Verfolgte mit Lebensmitteln. Trotzdem wurde sie in den Jahren nach dem Krieg geächtet. Nun wurde in der Feurigstraße eine Gedenktafel für die "stille Heldin" enthüllt.

"Deine Taten leben in uns fort", sagt die Publizistin und Zeitzeugin Inge Deutschkron der Frau, die sie liebevoll "Hede" nennt. Aber Hedwig Porschütz kann den Dank selbst nicht mehr empfangen. 1977 starb sie in Schöneberg. "Verarmt, krank und einsam", wie Deutschkron beklagt. Seit Mitte November erinnert eine Gedenktafel am Haus Feurigstraße 34 daran, dass die "stille Heldin" Porschütz hier nach dem Krieg gemeinsam mit ihrer Mutter lebte. Verarmt und einsam.
Während der NS-Zeit hatte sie mehrere Juden in ihrer eineinhalb Zimmer großen Wohnung am Alexanderplatz versteckt und damit vor Deportation und Ermordung gerettet. Durch Schwarzhandel trieb sie Lebensmittel auch für anderswo lebende Juden auf. Hedwig Porschütz arbeitete Anfang der 40er Jahre offiziell als Stenotypistin in der Blindenwerkstatt von Otto Weidt in der Rosenthaler Straße, tatsächlich war sie Prostituierte.
Bei Weidt, der zahlreiche Helfer in seiner Werkstatt vernetzte und dort selbst auch Juden versteckte, traf auch Inge Deutschkron auf Porschütz. Deutschkron war hier beschäftigt und entging so als untergetauchte Jüdin der Deportation ins Konzentrationslager. Menschen wie "Hede" verdankt die 90-Jährige, dass sie diese Zeit überlebt hat und heute über deren Schrecknisse berichten kann. Und über die Versäumnisse der Zeit direkt nach dem Krieg. Zum Beispiel an der Person Hedwig Porschütz.
Moralisch verurteilt
1944 wurde sie wegen Kriegswirtschaftsverbrechen und Hehlerei von den Nazis zu eineinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Mai 1945 kam sie frei. Aber die moralische Verurteilung hielt an. Die 1900 in Schöneberg geborene Porschütz hatte sich seit den 1920er-Jahren ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdient. In der jungen Bundesrepublik war das einer der Gründe, warum sie keine Rente aks Widerstandskämpferin bekam. Der Senat begründete die Absage eines entsprechenden Antrags damit, dass sie Anerkennung als Widerstandskämpferin eine Ehrenbezeichnung sei. Und die könne einer Person von solch "niedrigem sittlichen und moralischen Niveau" natürlich nicht zuerkannt werden. Zudem galt das Verstecken von Juden in den ersten Nachkriegsjahren  nicht als Widerstandshandlung gegen die Nazis.
Hedwig Porschütz zog nach dem Krieg zu ihrer Mutter in die Feurigstraße 43. 1977 starb sie in einem Altenheim in der Haupstraße. Ihre Verurteilung wurde erst im Juni 2011 von der Staatsanwaltschaft Berlin aufgehoben.